In der Verhandlung um die Klimaklage von Saúl Luciano Lliuya gegen den Energiekonzern RWE vor dem Oberlandesgericht Hamm hat der peruanische Kleinbauer den Vorsitzenden Richter zunächst nicht mit seinen Argumenten überzeugen können. Eine konkrete Gefahr für das Grundstück Lliuyas in den Anden sehe er „aktuell noch nicht“, sagte Richter Rolf Meyer am Mittwoch, dem zweiten Verhandlungstag. Gehört wurden Gutachter zur Gefahr, das Grundstück könne überflutet werden.
Landwirt Lliuya fordert von RWE, sich an Kosten für Schutzmaßnahmen vor der Überflutung seines Hauses in der Stadt Huaraz zu beteiligen. Dort wird befürchtet, dass der Andensee Palcacocha oberhalb der Stadt wegen einer Gletscherschmelze überlaufen und eine Flutwelle auslösen könnte. RWE als einer der größten Treibhausgasemittenten Europas sei dafür mitverantwortlich, argumentiert Lliuya. Unterstützt wird er von der Organisation Germanwatch.
Vor Gericht ging es am Montag und Mittwoch vor allem darum, ob es überhaupt eine hinreichende Gefahr gibt, dass eine Flutwelle das Haus des Klägers trifft. Der Gutachter des Gerichts, Rolf Katzenbach, hält das für „absolut unwahrscheinlich“, wie er sagte. Die Wahrscheinlichkeit bezifferte er zunächst auf unter drei Prozent, am Mittwoch dann auf nur noch ein Prozent.
„Wir haben uns sehr gewundert über die Absolutheit der Aussagen“, sagte Lliuyas Anwältin Roda Verheyen vor Verhandlungsbeginn am Mittwoch. „Wir haben ja von Anfang gesagt, dass der Gutachter eine Methode gewählt hat, mit der er praktisch auf einem Auge sich blind macht“ für bestimmte Gefahren, kritisierte sie.
Die Klägerseite warf Katzenbach vor, sich zu sehr auf die Gefahr von Eislawinen zu konzentrieren und Felsstürze außer Acht zu lassen. Zudem konzentriere sich der Gutachter zu sehr auf die Vergangenheit. Es sei aber nötig, einen Faktor „für die Zukunft“ anzuwenden, sagte ein Gutachter des Klägers, Lukas Arenson. Permafrost werde in den kommenden Jahren zunehmend abtauen und könne die Stabilität der Felsen gefährden.
Eine Delegation des Gerichts reiste 2022 eigens nach Peru, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen. Es sei wichtig, die Begebenheiten in den Anden zu kennen, betonte Richter Meyer. Eine Gefahr für das Haus des Klägers müsse „greifbar“ und „fassbar“ für das Gericht sein. Eine abstrakte Gefahr durch den Klimawandel genüge nicht.
Verheyen zeigte sich vor Verhandlungsbeginn am Mittwoch zuversichtlich, dass das gelingt. Sie sei „weiterhin optimistisch“, die vom Kleinbauern und Bergführer angeführte Gefahr einer Flutwelle wegen des Klimawandels „vermittelt“ zu bekommen, sagte sie. „Wir werden heute mit unseren Gutachtern versuchen, das zu belegen.“
Der RWE-Konzern weist die Vorwürfe grundsätzlich zurück und argumentiert unter anderem, sich immer an staatliche Vorgaben für Treibhausgasemissionen gehalten zu haben. Inzwischen verfolge das Unternehmen auch das Ziel, bis 2040 CO2-neutral zu werden. Zu den konkreten Verhandlungen wollte sich das Unternehmen nicht äußern.
Lliuya hatte seine Klage schon 2015 vor dem Landgericht Essen eingereicht, das sie aber ablehnte. In Berufung errang er dann einen Teilerfolg: Ende 2017 ordnete das Oberlandesgericht Hamm eine Beweisaufnahme an, da die Klimaklage schlüssig begründet sei. Einen Antrag von RWE dagegen wies das OLG zurück. Auch wegen der Corona-Pandemie deutlich verzögert reiste schließlich 2022 eine Gutachterdelegation nach Peru. Mit einem Urteil wurde am Mittwoch nicht gerechnet.