Klage gegen RWE: Peruanischer Bauer fordert „Klimagerechtigkeit“

Der peruanische Kleinbauer Saúl Luciano Lliuya fordert von dem deutschen Energiekonzern RWE Unterstützung für die Abmilderung der Folgen des Klimawandels: Vor dem Oberlandesgericht in Hamm startete am Montag die Verhandlung zu Lliuyas Klage gegen den Essener Kohlekonzern. Vom Gericht bestellte Gutachter, die über ihre in Peru gewonnen Erkenntnisse berichteten, stuften die von Lliuya angeführte Gefahr einer Flutwelle wegen des Klimawandels allerdings als gering ein.

Lliuya, der in seiner Forderung von der Organisation Germanwatch unterstützt wird, möchte erreichen, dass sich RWE an Schutzmaßnahmen beteiligt. In seiner Heimat, der Stadt Huaraz, wird befürchtet, dass der Andensee Palcacocha wegen einer Gletscherschmelze überlaufen und eine Flutwelle auslösen könne. RWE als einer der größten Treibhausgasemittenten Europas sei dafür mitverantwortlich, argumentiert Lliuya.

Vor Gericht ging es am Montag um die Frage, ob es eine hinreichende Gefahr durch eine von Gletscherschmelzen ausgelöste Flutwelle gibt. Der Gutachter Rolf Katzenbach schätzte die Wahrscheinlichkeit einer Flutwelle in den kommenden 30 Jahren auf unter drei Prozent. Zwar sei die Klimaerwärmung „anhand des Gletschers deutlich zu erkennen“. Dass der Gletscherrückgang zu einer Destabilisierung der Gesteinsschichten und mehr Felsabbrüchen führe, halte er aber für „unwahrscheinlich“.

Der Geotechniker verwies unter anderem auf Erdbeben in der Vergangenheit, die jeweils nicht zu einer drastischen Flut ausgehend vom Palcacocha geführt hätten. Das Gestein am See stehe „wie eine Eins“, sagte Katzenbach vor Gericht. Auch seien in Bereichen, an denen sich das Eis bereits zurückgezogen habe, keine Felsrutsche zu beobachten gewesen.

Germanwatch schätzt die Gefahr größer ein. Die schmelzenden Gletscher ließen den Wasserpegel steigen. „Zugleich taut auch der Permafrost im Fels oberhalb des Sees, sodass es zu Abbrüchen kommen kann, die eine verheerende Flutwelle auslösen könnten“, erklärte die Organisation.

Lliuya hatte 2015 seine Klage vor dem Landgericht Essen eingereicht, welches zunächst ablehnte. In Berufung feierte der Peruaner dann einen Teilerfolg: Ende 2017 ordnete das Oberlandesgericht Hamm eine Beweisaufnahme an, da die Klimaklage des Bauern schlüssig begründet sei. Einen Antrag von RWE dagegen wies das OLG zurück. Auch wegen der Corona-Pandemie deutlich verzögert reiste schließlich 2022 eine Gutachterdelegation nach Peru.

Sollte das Gericht nun eine ausreichend große Gefahr für Lliuyas Haus sehen, müsste im nächsten Schritt die Verantwortung von RWE dafür geklärt werden. Der Vorsitzende Richter Rolf Meyer deutete bereits an, dass dies „in rechtlicher Hinsicht schwierig“ sei, da eine konkrete Beeinträchtigung des Klägers noch nicht vorliege. Den „erheblichen“ Beitrag des Konzerns zum weltweiten CO2-Ausstoß halte er jedoch für „zulässig und schlüssig“.

Lliuya fordert eine Beteiligung von RWE an den Kosten in Höhe von 3,5 Millionen Euro für die künstliche Absenkung des Wasserpegels des Palcacocha-Sees. Daran solle sich der Konzern, der Milliarden an Tonnen Kohle gefördert und dem Kläger zufolge so maßgeblich zur Erderwärmung beigetragen hat, in Höhe seines Anteils an den weltweiten CO2-Emissionen beteiligen.

2015 lag dieser Anteil bei 0,47 Prozent – daraus ergab sich die Summe von 17.000 Euro, die Lliuya von dem Konzern einforderte. Laut dessen Anwältin Roda Verheyen hat sich RWEs Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen mittlerweile auf 0,38 Prozent verringert.

Der Konzern weist die Vorwürfe grundsätzlich zurück und argumentiert unter anderem, sich immer an staatliche Vorgaben für Treibhausgasemissionen gehalten zu haben. Inzwischen verfolge das Unternehmen auch das Ziel, bis 2040 CO2-neutral zu werden.

„Wir haben zehn Jahre lang auf diesen Tag gewartet“, sagte der Peruaner Lliuya vor Beginn der Verhandlung. Er hoffe auf „Klimagerechtigkeit“. Am Mittwoch soll die Verhandlung fortgesetzt werden.

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