Zartmann veröffentlicht Top-Ten-Hits und singt an der Seite von Ski Aggu und Max Raabe. Dabei wäre der Sänger, der seinen echten Namen nicht verrät, am liebsten viel mehr allein.
Herr Zartmann, vor einem Jahr haben Sie Konzerte noch in Locations mit knapp 250 Besuchern gegeben, ihre Tour in diesem Jahr hat mehrere Zusatztermine und ist ausverkauft, für 2026 sind Arenen-Konzerte geplant. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?
Wie schnell es im letzten Jahre ging, war schon eine Überraschung. Aber ich bin immer davon ausgegangen, dass das, was ich tue, funktionieren kann und wird. Sonst hätte ich all die Jahre, die ich schon Musik mache, mit allen Turbulenzen und Schwierigkeiten, nicht weitergemacht.
Was für Schwierigkeiten waren das?
Ich war bei einem Management und einem Label unter Vertrag, mit denen es überhaupt nicht gepasst hat. Besonders mein Manager hat dafür gesorgt, dass ich nichts releasen konnte. Mir wurde angedroht, dass alles, was ich rausbringen würde, gesperrt wird. Total absurd. Das war wie Kalter Krieg, dabei war ich noch ein kleiner Künstler und die haben eh kein Geld mit mir verdient. Ich bin in eine dieser Musikindustrie-Fallen getappt, in die viele junge Künstler geraten. Um da wieder rauszukommen, musste ich einen jahrelangen Rechtsstreit kämpfen, obwohl ich kein Geld hatte und nichts, auf das ich setzen konnte. Erst als das beigelegt war, konnte ich auch wieder Musik veröffentlichen.
Wie kam es dazu?
Ich war damals von Menschen umgeben, die nicht daran interessiert waren, eine wirklich langfristige Karriere für mich aufzubauen. Mittlerweile habe ich meinen Frieden damit gemacht.
Sie sind nicht wütend, dass Ihnen solche Steine in den Weg gelegt wurden?
Na ja, durch diese Erfahrung habe ich gelernt, wie ich nicht werden will. Außerdem hatte ich Zeit, wirklich darüber nachzudenken, wie ich mich musikalisch und als Künstler entwickeln will. Wenn ich heute an die Menschen aus dieser Zeit denke, dann eher mit Mitleid als mit Groll.
Wie sind Sie überhaupt zur Musik gekommen?
Als ich fünf war, hat mir mein Vater das Lied „Major Tom“ vorgespielt, das hat mich absolut verzaubert. Ich habe schon als Kind begonnen, Songs zu schreiben und Musik zu machen. Es wurde für mich schnell das Wichtigste im Leben. Und so fühlte es sich an, als hätte ich gar eine andere Wahl, als Musik auch zum Beruf zu machen.
Ihre Single „Tau mich auf“ ist viral gegangen, landete auf Platz 1 der Charts. Was war das für ein Gefühl?
Ich war da gerade mit meinem Kumpel Aaron in Kolumbien. Wir hatten unsere normalen Handys aus und nur eins für Google Maps mit, dessen Nummer wir genau einem Freund gegeben hatten. Er rief irgendwann an und sagte: Dein Song geht gerade in Deutschland viral. Ich dachte: Okay, krass – und habe das Handy wieder ausgemacht. Zehn Tage später, als ich zurückkam und mein eigenes Handy wieder eingeschaltet habe, sah ich, dass es wirklich so war und die Leute unbedingt den gesamten Song haben wollten. Wir haben ihn dann sehr schnell released.
Wie wichtig ist Social Media für Sie als Musiker?
Mir ist recht schnell klar gewesen, dass es nicht ohne geht. Dort präsent zu sein, ist sehr wichtig. Ich poste fast jeden Tag etwas und drehe regelmäßig Content. Mir ist wichtig, selbst die Fäden in der Hand zu haben – und ich mache lieber mehr als weniger.
Mich umgibt eine gewisse Grundtraurigkeit
Ihre Songs sind oft sehr energetisch, viele assoziieren damit gute Laune. Ist das eine bewusste Entscheidung?
Ich finde es schön, wenn Menschen beim Hören meiner Musik gute Laune empfinden. Trotzdem bin ich nicht der Typ, der nur für Fröhlichkeit und Leichtigkeit steht. Mich selbst umgibt eine gewisse Grundtraurigkeit. Das zeigt sich auch in meiner Musik. Selbst in leichte Momente mischt sich oft ein wenig Melancholie. Ich lasse das bewusst zu.
Haben Sie manchmal Angst, trotzdem als der Gute-Laune-Typ abgestempelt zu werden?
Nein. Ich erreiche eine sehr breite Masse mit meiner Musik. Wenn nur ein kleiner Teil sich die Zeit nimmt, richtig zuhört und auch die anderen Ebenen wahrnimmt, ist das völlig okay. Ich habe nicht den Anspruch, allen zu gefallen.
Ihre nächste Veröffentlichung, die „schönhauser EP“ (4. April), ist an vielen Stellen ernster und ruhiger als ihre bisherige Musik. Bei einem Konzert in Berlin haben Sie gesagt, sie sei entstanden, als Ihr „Privatleben in Trümmern“ lag. Was war das für eine Phase?
Das war die Zeit, in der mit der Musik auf einmal alles funktioniert hat und ich nur noch unterwegs war. Ich hatte irgendwann das Gefühl, mich selbst zu verlieren, und damit vielleicht auch die Menschen, die mir am meisten bedeuten. Ich habe gemerkt, dass ich in Einbahnstraßen renne. In dieser Zeit, im Oktober letzten Jahres, musste – und wollte – ich neue Songs schreiben. Sie sind sehr emotional und privat geworden.
Hilft das Schreiben in solchen Phasen?
Ja. Ich schreibe Songs, um Dinge zu verarbeiten. Musik ist wie Therapie.
Wie fühlt es sich an, so persönliche Lieder zu veröffentlichen?
Zum Glück fühle ich im Moment sehr wenig Druck. Vielleicht, weil gerade alles gut funktioniert, aber auch, weil ich von meiner Kunst sehr überzeugt und zufrieden mit mir bin. Das ist wichtiger, als lauter Nummer-eins-Platzierungen in den Charts zu haben. Klar ist es nicht immer leicht, mich zu öffnen. Aber ich denke, gerade als Mann ist es wichtig, Emotionen zu zeigen und nicht nur über Banalitäten zu singen.
Empfinden Sie sich mit dieser Haltung als Repräsentant einer neuen Männlichkeit?
Wir leben in einer Zeit, in der es wichtig ist, veraltete Werte, sexistische Strukturen und sich selbst als Mann zu hinterfragen. Dazu gehört, bestimmte Dinge, die als typisch männlich gelten, zu durchbrechen und sich sensibel zu zeigen. Das versuche ich auch zu tun.
In ihrem Song „Wunderschön“ bezeichnen Sie sich als Hedonist. Was bedeutet das für Sie?
Sehr freiheitsliebend zu sein. Und die Freiheit vielleicht auch persönlichen Beziehungen vorzuziehen.
Fühlen Sie sich gerade frei?
Nicht wirklich. Dafür arbeite ich zu viel. Sonst wäre es, glaube ich, anders. Aber wer weiß. Zur Freiheit gehört auch die wiederkehrende philosophische Frage, inwiefern man am freiesten ist, wenn man alleine ist. Darüber denke ich viel nach. Ich hoffe auch, dass ich mein Leben nach der Tour und dem EP-Release wieder etwas entschleunigen kann. Gerade habe ich noch nicht mal eine Wohnung – ich hoffe, dass ich bald eine finde und mich dort wieder mehr mir selbst widmen kann. Das steht irgendwie an.