Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat mehr Selbstbewusstsein der Europäer beim Eintreten für ihre Interessen und für eine regelbasierte Ordnung gefordert. „Wir leben in einer Zeit der Ruchlosigkeit“ sagte Baerbock im „Interview der Woche“ des Deutschlandfunks mit Blick auf die internationale Lage. Dabei hätten sich die USA nach ihrem Eindruck „noch nicht ganz entschieden, auf welcher Seite sie da eigentlich selber stehen“.
Entschlossene Reaktionen der europäischen Staaten forderte Baerbock in den Zollauseinandersetzungen mit den USA. Als Beispiel verwies sie auf die Haltung Kanadas. „Wir wollen keinen Handelskrieg, und wir wollen auch keinen Zollkrieg“, stellte Baerbock klar. Man müsse aber deutlich machen: „Wir schützen unsere eigenen Interessen.“
Die Grünen-Politikerin begrüßte die Beschlüsse der G7-Staaten zur Ukraine bei ihrem Außenministertreffen im kanadischen Charlevoix. Diese hatten sich unter Beteiligung von US-Außenminister Marco Rubio einmütig zur „unerschütterlichen Unterstützung“ und zur territorialen Integrität des von Russland überfallenen Landes bekannt.
Baerbock drang im Portal web.de zudem auf einen Beitrag der USA zur Friedenssicherung in der Ukraine, sollte es dort zu einem Waffenstillstand kommen. „Die USA sind als größte Militärmacht der Welt die beste Rückversicherung für Frieden in Europa“, sagte die Außenministerin. Zugleich müssten aber auch die Europäer stark und selbstbewusst auftreten.
Für Frieden in der Ukraine seien auch europäische Sicherheitsgarantien erforderlich, betonte Baerbock. „Diese Garantien sind aber umso stärker, je mehr Länder mitmachen“, fügte sie hinzu. „Deswegen brauchen wir die Amerikaner.“
Zur Rolle Europas sagte die Außenministerin: „Man gewinnt mehr Partner, wenn man selbst zeigt, dass man alles für die eigene Freiheit und den Frieden gibt.“ Baerbock rief die US-Regierung auf, das transatlantische Bündnis nicht zu vernachlässigen. „Die Amerikaner brauchen auf mittlere und lange Sicht auch uns Europäer – weil auch sie nicht alleine in der Welt bestehen können“, sagte sie. Das gelte erst recht, wenn sich Akteure wie China, Russland, der Iran und Nordkorea zusammentun.
Baerbock warnte erneut davor, die Tragweite der russischen Aggression zu unterschätzen. Man müsse jeden Tag deutlich machen: „Es geht um unseren Frieden in Europa“, hob sie hervor. Sie selbst habe nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beispielsweise nicht erwartet, wie stark russische Propaganda bis hin zu einer Täter-Opfer-Umkehr auch in liberalen Demokratien wie Deutschland verfange.