Die Krise der FDP ist auch in Rheinland-Pfalz zu spüren. Dazu hat sie ihre beiden profiliertesten Politiker im Bundesland verloren. Das könnte sich auf das Wahlergebnis in einem Jahr auswirken.
Der Austritt des langjährigen Landesvorsitzenden Volker Wissing und der überraschende Tod des geschätzten Justizministers Herbert Mertin haben ein tiefes Loch in die rheinland-pfälzische FDP gerissen. Der Absturz der Regierungspartei bei der Bundestagswahl war ein weiterer kräftiger Dämpfer. Ein Jahr vor der Landtagswahl müssen sich die Liberalen, die außer in Mainz nur noch in Sachsen-Anhalt an einer Regierung beteiligt und nur noch in der Hälfte der Landtage vertreten sind, neu aufstellen. Was braucht es dafür?
Wer übernimmt den Landesvorsitz?
„Die Personaldecke der rheinland-pfälzischen FDP ist dünn geworden“, stellt der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universität Trier fest. Insofern ist auch der Kreis derer, die als Landeschef infrage kommen, überschaubar. Gesucht wird bei der im April vorgesehenen Wahl ein Nachfolger für Wissing, der von 2011 bis zum Ampel-Aus in Berlin und seinem Austritt aus der FDP im Herbst 2024 an der Spitze der Landespartei stand.
Es scheint alles auf Daniela Schmitt zuzulaufen. Die Alzeyerin war nach der Landtagswahl 2021 kurze Zeit FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, bis sie das einst von Wissing geleitete Verkehrs- und Wirtschaftsministerin übernahm. Ihr Nachfolger an der Fraktionsspitze wurde der einstige Justizstaatssekretär Philipp Fernis, dessen Name zuletzt ab und an auch im Zusammenhang mit dem Landesvorsitz genannt wurde. Er sagt: „Wenn Daniela Schmitt den Landesvorsitz übernehmen will, dann wird ihr das keiner streitig machen.“
Fernis setzt Akzente im Landtag
Und dann ist da die Noch-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad, die nach Wissings Parteiaustritt gemeinsam mit Schmitt die Partei bis zur Vorstandswahl führt. Ihren Job in Berlin ist sie demnächst los, im Land ist sie bislang aber deutlich weniger als die anderen beiden in Erscheinung getreten.
Das Amt des Justizministers dürfte nach Mertins Tod im letzten Jahr der Wahlperiode auf Justizstaatssekretär Matthias Frey hinauslaufen. Der gewandte Redner Fernis, der Rededuelle im Landtag so gar nicht scheut, und Wirtschaftsstaatssekretär Andy Becht dürften ihre Posten behalten. „Über die Nachfolge von Herbert Mertin beraten wir drei gemeinschaftlich“, sagt Fernis.
„FDP muss sich schütteln“
2021 holte die FDP bei der Landtagswahl 5,5 Prozent. Bei einer vom SWR in Auftrag gegebenen Umfrage von Mitte Februar dieses Jahres zur Bundestagswahl gaben nur 4 Prozent an, für die FDP stimmen zu wollen. Das lässt sich freilich nicht auf eine Landtagswahl herunterbrechen, zeigt aber schon, dass reichlich Arbeit auf die Liberalen im Land zukommt.
„Die FDP muss sich schütteln und neu finden“, sagt Jun. „Wohin es konkret geht, ist völlig offen.“ Aus dem rheinland-pfälzischen Landesverband sowie dem niedersächsischen und vom stellvertretenden Bundesvorsitzenden Johannes Vogel gebe es immer wieder Hinweise, dass sich die Partei über den wirtschaftsliberalen Kurs hinaus positionieren solle, noch sei das aber nicht konkret. „Im Frühjahr beim Bundesparteitag wird es erste Zeichen geben, wohin es personell und inhaltlich mit der FDP geht.“
Wissing rät zu ganzheitlich liberalem Kurs
Ähnlich klingt das bei Wissing. Er rät seiner Ex-Partei zu einem thematisch breiten Kurs. „Ich würde empfehlen, wieder einen ganzheitlich liberalen Kurs beizubehalten“, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Der Versuch, sich auf Wirtschaftsthemen zu verengen oder einen rein libertären Kurs einzuschlagen, hat sich für die FDP noch an keiner Stelle ausgezahlt.“
Letztlich müsse eine Partei immer darauf achten, was die Menschen umtreibe oder was in Familien beim Abendessen besprochen werde, sagte Wissing. Junge Eltern treibe zum Beispiel um, ob sie für ihre Kinder einen Kita-Platz bekommen, welche Bildungsangebote sie dort erhalten oder wie sie dort verpflegt werden. Menschen treibe auch die Entwicklung der Kranken- und Pflegeversicherung um. Weniger werde über Wirtschaftswende oder Staatsfinanzen diskutiert. Parteien dürften sich Themen nicht aussuchen.
Sie müssten Antworten für jedes gesellschaftliche Problem anbieten. Mit dem libertären Kurs, den die FDP auf Bundesebene eingeschlagen habe, sei sie auf dem „Holzweg“. Zu Personalfragen in Rheinland-Pfalz will er sich nicht äußern. „Ich bin ja kein Mitglied mehr im Landesverband und halte mich da raus.“
Julis für strukturelle und inhaltliche Veränderungen
Der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen Rheinland-Pfalz, Florian Pernak, hält strukturelle und inhaltliche Veränderungen für nötig. „Die Partei muss moderner und effizienter aufgestellt werden“, sagt er. „Ich glaube, dass wir wieder eine FDP brauchen, die sich auf ihr Leitbild fokussiert.“ Sie müsse einen ganzheitlichen Liberalismus vertreten, nicht nur einen Wirtschaftsliberalismus, sowohl Bildungs- als auch Wirtschaftspolitik müssten einen Fokus bilden.
Wer am Ende den Landesvorsitz übernehme, sei eher zweitrangig, sagt Pernak. Strukturell könnte die FDP Rheinland-Pfalz darüber nachdenken, wie andere Landesverbände auch den Posten eines Generalsekretärs einzuführen. Bloß eine neue Position etwa in Form eines Generalsekretärs zu schaffen, genüge nicht, sagt Schmitt. „Es braucht das passende Mindset.“
Schmitt setzt auf ein Team
An der Spitze der Landespartei benötige es zukünftig ein stärkeres Miteinander und die Bereitschaft, Parteiarbeit neu zu denken, betont Schmitt. „Das beste Ergebnis gibt es mit einem diversen Team. Es würde mich reizen, das zu gestalten.“ Thematisch plädiert auch die 52-Jährige für mehr Breite. „Eine Lehre aus der Bundestagswahl, die für uns ein Warnschuss war, muss sein, dass es nicht gut ist, monothematisch unterwegs zu sein.“ Der Gedanke der Freiheit und des Liberalismus müsse auf alle Politikfelder ausgedehnt werden, sagt sie. „Da haben wir noch Luft nach oben.“