Meinung: Provokation mit Prothesen

Gender-Spiel auf der Pariser Fashion Week: ein Mann mit Brüsten, eine Frau mit Waschbrettbauch. Der Designer Duran Lantink entlarvt die Grenzen unserer Offenheit.

Der Kontrast knallt. In einem sterilen Raum hocken Angestellte hinter Aktenbergen, verschwinden im Weiß des Papiers. Sie stempeln Dokumente. Heften ab. Büromonotonie. Doch da: Ein Model schreitet die Treppe herab. Schwarze Stoffhose, nackter Oberkörper – und an dem wippen sie. Doppel D. Prall, fleischig, fast absurd perfekt. Eine Brustprothese. Und das Model? Ein Mann.

Gender-Clash bei der Fashion Week

Diese Szene ging viral. Paris, Fashion Week, Anfang März. Verantwortlich dafür? Duran Lantink. Ein Designer aus den Niederlanden, 37 Jahre alt, bekannt für voluminöse Silhouetten. Der Brustprothesen-Mann war der Abschluss seiner „Duranimal“-Kollektion für den Herbst 2025. Ein Spiel mit Witz und Provokation, mit Grenzen und Idealen. 

Und das Pariser Publikum? Lächelnde Gesichter, verwirrte, ja, überraschte Blicke. War das eben ein Mann – mit Frauentorso? Die kollektive Irritation ist mehr als nur ein körperlicher Reflex. Die Reaktionen entlarven, wie starr unsere Vorstellungen von Körpern, Identität und Geschlechtern noch immer sind. Trotz aller Genderdebatten.

Die unterschiedlichen Reaktionen werfen Fragen auf

Dabei begann Lantinks Show bereits mit einem Seitenhieb gegen Geschlechtergrenzen. Das Auftakt-Model: eine braunhaarige Frau – mit Männer-Waschbrettbauch-Prothese. Doch hier reagierte das Publikum nicht so doll. Warum wirkt ein Mann mit Doppel-D-Prothesen wie eine Grenzüberschreitung, während eine Frau mit künstlichem Sixpack fast beiläufig hingenommen wird? Weil Männlichkeit bei Frauen als Kostüm taugt, aber Weiblichkeit bei Männern immer noch potenziell lächerlich wirkt?

Die unterschiedlichen Reaktionen sind interessant, weil sie eine gesellschaftliche Frage aufwerfen: Wer hat das Recht auf Transformation – und sind wir da gleich streng mit allen Menschen? 

In Zeiten, in denen Geschlechterrollen so fluide wie nie scheinen, ist Lantinks Spiel mit dem Schockmoment ein Realitätscheck. Die Grenzen sitzen immer noch tiefer, als wir denken. Deshalb ging diese Szene viral. Was hier provoziert, ist nicht der Schaumstoff auf der Haut, sind nicht die wippenden Brüste – sondern das Bild, das wir von Geschlechtern haben. Und von uns selbst.

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