Jahrelang herrschte Stillstand in der Stadtplanung Roms. Doch zum Heiligen Jahr zeigt sich die Ewige Stadt in neuem Glanz. Was Rom seinen Besuchern Neues zu bieten hat.
True sitzt auf dem Beckenrand eines der beiden kreisförmigen Brunnen an der neugestalteten Piazza Pia und schreibt Notizen in ihr Tagebuch. Sie trägt einen roten Wollpulli und darüber diverse Halsketten. Die amerikanische Studentin ist begeistert von Rom. „Die Stimmung ist so natürlich und entspannt“, sagt sie und blinzelt in die Nachmittagssonne. Touristen und Römer beleben den Platz an der Engelsburg, einige hocken unter Bäumen auf den breiten Stufen, die flach zur Ufermauer des Tibers ansteigen. Früher toste unentwegt der Verkehr um den Platz, doch der ist nun in eine dreispurige Unterführung verbannt.
Chillen auf der Piazza Pia: der Verkehr ist in eine Unterführung verbannt. Bei den Bauarbeiten kamen antike Mauerreste zum Vorschein. Im Altertum stand hier eine Wäscherei
© Luisa Brandl
Bürgermeister Roberto Gualtieri spricht von der „Piazza dell’abbraccio“ – der „Platz der Umarmung“ ist das Herzstück seines Konzepts zur Stadtverschönerung im Jubeljahr. Er wolle Rom modernisieren und zugleich die „Seele der Ewigen Stadt“ zur Geltung bringen, sagt er. Diese gewisse Gelassenheit, die daher rührt, dass die Römer viele Herrscher aufsteigen und fallen gesehen haben, wie die Altertümer aus 2000 Jahren Geschichte bezeugen. Wer in diesen Tagen Rom besucht, kann die Stadt neu entdecken.
Auf dem Weg in den Petersdom: Die Pilger folgen einem Kreuzträger
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Auch die Verbindungsstraße zwischen der Engelsburg und dem Vatikan ist autofrei. Zwergpalmen und Lorbeerbäume säumen die breite Allee. Dazwischen Touristen und Pilger – das Heilige Jahr hat eine große spirituelle Bedeutung für Katholiken in aller Welt. Zum Auftakt wird die zugemauerte Heilige Pforte im Petersdom feierlich geöffnet. Gläubigen, die durch die Heilige Pforte schreiten, beten, beichten und zur Kommunion gehen, werden nach dem Brauch alle Sünden vergeben.
Gläubigen, die die Heilige Pforte passieren, werden nach dem Brauch alle Sünden vergeben
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Pilgergruppen, angeführt von einem Kreuzträger, sprechen laut Gebete im Gehen. Auf einer abgetrennten Spur ziehen sie an den flanierenden Menschen vorbei und streben auf den Petersdom zu. Dort werden sie das Kreuz in der Krypta am Petrus-Grab niederlegen. Ein Heer von ehrenamtlichen Helfern in grünen Westen kanalisiert Touristen- und Pilgerströme.
30.000 Gläubige aus aller Welt haben sich als freiwillige Helfer im Heiligen Jahr gemeldet. Jerusa und José aus Brasilien gehören dazu
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Sie sind aus aller Welt gekommen, wie Jerusa und José aus Rio de Janeiro. José steht innen am Eingang von Sankt Peter und gibt einem Besucher einen Tipp, wie er die Heilige Pforte fotografieren kann. Das brasilianische Paar bleibt fünf Wochen und wird in der Zeit an verschiedenen Orten eingesetzt. „Wir haben uns gemeldet, um bei diesem großen Pilgerfest mitzumachen“, sagt Jerusa. „Was gibt es Schöneres, als den Tag in dieser prachtvollen Kirche zu verbringen?“, ruft sie. Und Rom sei im Jubeljahr noch so viel prächtiger geworden.
Heiliges Jahr: Verschönerung Roms für 4,8 Milliarden Euro
Die Stadterneuerung umfasst 276 Bauprojekte an Monumenten, Straßen und Plätzen. Aus Mitteln vom Staat, von der Region und dem EU-Aufbaufonds kam ein 4,8 Milliarden Euro schweres Budget zusammen. Sämtliche monumentalen Brunnen von der Piazza Navona über Santa Maria Maggiore und der Piazza Farnese erstrahlen in neuem Glanz. Am Trevibrunnen sprudelt nach dreimonatiger Restaurierung wieder das Wasser. Dem notorischen Gedränge soll eine Beschränkung auf 400 Besucher gleichzeitig Einhalt gebieten.
Die Barockstatuen auf der berühmten Engelsbrücke leuchten in Weiß. Aus der Geschäftsstraße Via Ottaviano ist ein autofreier Boulevard zwischen Metro-Station und Vatikan geworden. Ein Highlight ist das Design auf dem knapp zwanzig Quadratmeter großen Vorplatz der Lateranskirche. Der Boden ist gepflastert mit römischen Sanpietrini, Basalt und Travertin, die Rundformen nehmen die Motive der Cosmaten genannten Mosaikböden in der Laterankirche auf und stellen eine Kontinuität zwischen innen und außen her. Auf dem Platz sind kreisförmige Brunnen mit Wasserspielen eingelassen, die Besucher bei großer Hitze erfrischen sollen.
Päpste hübschten zum Heiligen Jahr ihre Stadt auf
Die Stadtverschönerung in Verbindung mit einem Heiligen Jahr geht auf eine lange Tradition zurück. Papst Sixtus IV hatte 1475 ein „Giubileo“ ausgerufen und den Bau der nach ihm benannten Sixtinischen Kapelle in Auftrag gegeben. Dem Jubiläum 1550 und Papst Paul III verdankt die Nachwelt den von Michelangelo gestalteten Platz auf dem Kapitolshügel. Alle 25 Jahre ruft die katholische Kirche ein Heiliges Jahr aus. Das erste hat Papst Bonifatius VII im Zeichen der Versöhnung mit Gott und den Menschen im Jahr 1300 ausgerufen. Das Motto von Papst Franziskus ist „Pilger der Hoffnung“. Demnach seien wir alle Pilger auf der Erde. Auf diesem Weg sollten die Menschen die Schönheit der Schöpfung bewundern und achten, so der Gedanke Franziskus‘.
Wer am Petersdom ansteht, muss mit 30 Minuten Wartezeit rechnen. Mit dem Pilgerpass kann man die Schlange umgehen
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Über das Jahr verteilt werden große Messen auf dem Petersplatz abgehalten. Sie richten sich jeweils an bestimmte Gruppen wie Berufsfelder, Schule und Bildungswesen, Kranke und Gesundheitssektor, Kommunikation und Medien, Polizei und Streitkräfte oder an bestimmte Kategorien wie Chöre, Ehrenamt oder Armut. Franziskus hat erstmals auch Strafgefangene mit einem Jubiläumstag bedacht, der in den Haftanstalten begangen wird. Der Papst kann allerdings aufgrund seines Krankenhausaufenthaltes derzeit die Messen nicht selbst zelebrieren.
Neben den religiösen Zeremonien lockt das Jubeljahr mit einem großen kulturellen Angebot. Es gibt gratis Führungen an Orte, die man sonst nicht zu sehen bekam, wie die „Necropoli di San Paolo“, eine immense Totenstadt an der Ausfallstraße Via Ostiense. Oder das „Sepolcro degli Scipioni,“ die verwunschene Grabstätte des antiken Feldherrn Scipione an der Via Appia Antica, und das „Teatro Marcello“, bei dem auf antiken Mauern im Mittelalter ein Wohnhaus erbaut wurde, das bis heute bewohnt ist.
Die Allgegenwart des Altertums lässt sich auch auf geführten Spaziergängen erkunden, in historischen Parks wie dem Park der Aquädukte oder bei einem Rundgang unter dem Titel „Mauern, Brücken und Stadttore“. Für Familien gibt es Angebote in den städtischen Museen wie im Museo Barracco, bei den Kindern die Herangehensweise eines Archäologen nahegebracht wird. Ein Highlight sind die Nachtspaziergänge, die in den Sommermonaten geplant sind. Effektvoll ausgerichtete Beleuchtung setzt die Monumente in Szene und die Dunkelheit tut ihr Übriges, um den Besucher in eine magische Welt zu ziehen.
Tipps:
Museumsführungen: Jedes zweite Wochenende werden in den städtischen Museen Gratis-Führungen in englischer Sprache angeboten, nach Erwerb des Eintrittstickets. Sehenswert sind die Kapitolinischen Museen, die Trajanischen Märkte und die Ara Pacis.Sonder-Öffnungen: Historisches Stadtarchiv, Nekropole San Paolo und Sepolcro degli Scipioni zählen zu den begehrtesten Ortsterminen.Spaziergänge: Jeden Freitag sind Besucher nach Voranmeldung zu einem historischen Rundgang eingeladen.Info-Points: Auskünfte über das Kulturprogramm bekommt man an den Flughäfen, am Bahnhof Termini, am Forum Romanum und an der Engelsburg. Voranmeldungen können Sie dort oder telefonisch im Contact Center buchen. Tel. +39 060608.Der Vatikan gibt im Heiligen Jahr 2025 erstmals einen Online-Pilgerpass heraus. Er ist gratis und berechtigt beispielsweise zum direkten Zugang zur Heiligen Pforte. Informationen unter: www.iubilaeum2025.va. Kulturelle Angebote wie etwa Kirchenkonzerte findet man unter: https://www.iubilaeum2025.va/it/giubileo-2025/eventi-culturali.html.Tipp Kulturzentrum Mattatoio: Der ehemalige Schlachthof ist ein Stück Industriearchäologie in Rom und beherbergt Theater- und Musikveranstaltungen. Zum Heiligen Jahr wurde das Areal restauriert. Jeden Sonntag findet im Innenhof ein belebter Wochenmarkt statt.